Der 9. November ist ein Tag, der in
Deutschland mit vielen bedeutsamen aber auch sehr widersprüchlichen
Ereignissen verbunden wird. Am 9. November 1848 wird der Abgeordnete
der Frankfurter Nationalversammlung Robert Blum in Wien von einem
Hinrichtungskommando erschossen - 1918 beginnt die Novemberrevolution
- 1923 endet der Hitlerputsch unter den Schüssen der Polizei vor der
Münchner Feldherrnhalle - 1938 brennen die Synagogen in der
Pogromnacht und 1989 schließlich fällt die Berliner Mauer.
Das Wittelsbacher Land streiften all
diese Ereignisse vermeintlich nur am Rande. Bei den Ereignissen der
sogenannten „Kristallnacht“ in München spielte Josef Waldmann,
der Führer der Aichacher Hitlerjugend, eine besonderse Rolle.
Nachdem sich die Nazigrößen des Reiches um Hitler an diesem Tag,
zum 25jährigen Gedenken der Toten des Hitlerputsches, versammelt
hatten, wurden das Pogrom deutschlandweit von München aus gesteuert.
Die Führer der bayrischen Hitlerjugend
trafen sich ebenfalls in München. Der in Ingolstadt geborenen Führer
der Aichacher HJ Josef Waldmann kam auf den Gedanken, wie man im Zuge
des Pogroms auch die Kasse der bayrischen Hitlerjugend füllen
könnte. So entstand die perfide Idee zur Aktion „Sühnegeld“.
Sie suchten mitten in der Nacht reiche Münchner Juden auf und
erpressten „Sühnegeld“ für den bei einem Attentat in Paris
erschossenen Diplomaten Ernst vom Rath. Bei ihrem Beutezug durch die
Münchener jüdische Gemeinde ergaunerten sie 134 983,62 Reichsmark.
Da der Bankier Emil Krämer nicht bereit war zu zahlen, verpassten
ihm Waldmann und andere eine „Abreibung“, bei der sie ihn so
schwer misshandelten, dass er starb. Um den Mord zu tarnen legten sie
die Leiche auf die Straße vor dem Wohnhaus des Erschlagenen. Die
Polizei stellte dann auch prompt fest, er wäre aus dem Fenster seines Hauses gesprungen. Die Ehefrau Krämers
starb zur selben Zeit ebenfalls unter dubiosen Umständen durch Gift.
Die Erpresser erhielten kaum Bargeld,
sondern überwiegend Schecks ausgehändigt. Als sie in den folgenden
Tagen versuchten die Schecks einzulösen, verweigerten die Banken die
Annahme und informierten die Staatspolizei. Diese nahm die Waldmann
und Konsorten vorübergehend fest. Hermann Göring zeigte sich über
die Vorgänge sehr verärgert. Da der Fall von der Naziführung als hoch brisant eingestuft wurde, landete er vor dem obersten
Parteigericht der NSDAP. Deshalb ist das Geschehen auch relativ gut
dokumentiert. Es war den Machthabern zwar egal ob Juden zu Schaden
gekommen waren, aber sie konnten die Eigenmächtigkeiten der Führung
der bayrischen HJ nicht tolerieren. Zusätzlich bestand der Verdacht,
dass sich die Angeklagten eventuell persönlich bereichern wollten.
Den Aussagen zum Tod des Bankiers Emil Krämer, er habe sich selbst
das Leben genommen, schenkten die NSDAP-Richter keinen Glauben.
Trotzdem stellte das Oberste Parteigericht am 10. Februar 1939 das
Verfahren gegen Waldmann und Komplizen ein.
Ansonsten ist über Josef Waldmann
wenig bekannt. Er wurde niemals für seine Taten zur Rechenschaft
gezogen. Der Mann meldete sich 1937 in Aichach an und verlegte nach
10 Jahren am 1. April 1947 seinen Wohnsitz vom „Am Büchel 63 1/2“
nach München.
Bei den 200 Mark Spende „einer
ungenannten Seite“, die in dem Schreiben (siehe Foto) erwähnt
werden, handelt es sich um die Summe, welche Waldmann und Konsorten
von Frau Baermann, der Ehefrau eines Münchner Rabbiners, der bereits
im KZ eingekerkert war, abgepresst hatten.