Freitag, 9. November 2018

Die Reichspogromnacht, der Prolog zum Holocaust

Der 9. November ist ein Tag, der in Deutschland mit vielen bedeutsamen aber auch sehr widersprüchlichen Ereignissen verbunden wird. Am 9. November 1848 wird der Abgeordnete der Frankfurter Nationalversammlung Robert Blum in Wien von einem Hinrichtungskommando erschossen - 1918 beginnt die Novemberrevolution - 1923 endet der Hitlerputsch unter den Schüssen der Polizei vor der Münchner Feldherrnhalle - 1938 brennen die Synagogen in der Pogromnacht und 1989 schließlich fällt die Berliner Mauer.

Das Wittelsbacher Land streiften all diese Ereignisse vermeintlich nur am Rande. Bei den Ereignissen der sogenannten „Kristallnacht“ in München spielte Josef Waldmann, der Führer der Aichacher Hitlerjugend, eine besonderse Rolle. Nachdem sich die Nazigrößen des Reiches um Hitler an diesem Tag, zum 25jährigen Gedenken der Toten des Hitlerputsches, versammelt hatten, wurden das Pogrom deutschlandweit von München aus gesteuert.

Die Führer der bayrischen Hitlerjugend trafen sich ebenfalls in München. Der in Ingolstadt geborenen Führer der Aichacher HJ Josef Waldmann kam auf den Gedanken, wie man im Zuge des Pogroms auch die Kasse der bayrischen Hitlerjugend füllen könnte. So entstand die perfide Idee zur Aktion „Sühnegeld“. Sie suchten mitten in der Nacht reiche Münchner Juden auf und erpressten „Sühnegeld“ für den bei einem Attentat in Paris erschossenen Diplomaten Ernst vom Rath. Bei ihrem Beutezug durch die Münchener jüdische Gemeinde ergaunerten sie 134 983,62 Reichsmark. Da der Bankier Emil Krämer nicht bereit war zu zahlen, verpassten ihm Waldmann und andere eine „Abreibung“, bei der sie ihn so schwer misshandelten, dass er starb. Um den Mord zu tarnen legten sie die Leiche auf die Straße vor dem Wohnhaus des Erschlagenen. Die Polizei stellte dann auch prompt fest, er wäre aus dem Fenster seines Hauses gesprungen. Die Ehefrau Krämers starb zur selben Zeit ebenfalls unter dubiosen Umständen durch Gift.

Die Erpresser erhielten kaum Bargeld, sondern überwiegend Schecks ausgehändigt. Als sie in den folgenden Tagen versuchten die Schecks einzulösen, verweigerten die Banken die Annahme und informierten die Staatspolizei. Diese nahm die Waldmann und Konsorten vorübergehend fest. Hermann Göring zeigte sich über die Vorgänge sehr verärgert. Da der Fall von der Naziführung als hoch brisant eingestuft wurde, landete er vor dem obersten Parteigericht der NSDAP. Deshalb ist das Geschehen auch relativ gut dokumentiert. Es war den Machthabern zwar egal ob Juden zu Schaden gekommen waren, aber sie konnten die Eigenmächtigkeiten der Führung der bayrischen HJ nicht tolerieren. Zusätzlich bestand der Verdacht, dass sich die Angeklagten eventuell persönlich bereichern wollten. Den Aussagen zum Tod des Bankiers Emil Krämer, er habe sich selbst das Leben genommen, schenkten die NSDAP-Richter keinen Glauben. Trotzdem stellte das Oberste Parteigericht am 10. Februar 1939 das Verfahren gegen Waldmann und Komplizen ein.

Ansonsten ist über Josef Waldmann wenig bekannt. Er wurde niemals für seine Taten zur Rechenschaft gezogen. Der Mann meldete sich 1937 in Aichach an und verlegte nach 10 Jahren am 1. April 1947 seinen Wohnsitz vom „Am Büchel 63 1/2“ nach München. 


Bei den 200 Mark Spende „einer ungenannten Seite“, die in dem Schreiben (siehe Foto) erwähnt werden, handelt es sich um die Summe, welche Waldmann und Konsorten von Frau Baermann, der Ehefrau eines Münchner Rabbiners, der bereits im KZ eingekerkert war, abgepresst hatten.