Samstag, 24. Dezember 2022

Rund um die Weihnachtszeit im Wittelsbacher Land

Ich wünsche euch allen ein ruhiges und besinnliches Weihnachtsfest. Ein kleines Geschenk habe ich auch für euch, nämlich ein Kapitel aus meinem neuen, noch nicht veröffentlichten Buch: Sagen, Mythen und Legenden aus dem Wittelsbacher Land.



Rund um die Weihnachtszeit im Wittelsbacher Land

Die Zeit um Weihnachten herum, von der Adventszeit bis zum Heiligdreikönigstag, war früher in den Dörfern des Wittelsbacher Landes die stille, die staade Zeit. Sie begann mit dem Andreastag, dem 30. November. Von da an zogen jeden Donnerstag die Kinder ärmerer Leute und vereinzelt auch Erwachsene in Gruppen umher. Schon in aller Frühe traten sie mit den Worten »Klopf oh« an die Türen der Bauernhöfe. Dann sangen die Bittsteller Weihnachtslieder oder trugen Gedichte vor. Das »Anklöpfln« erinnerte an die Herbergssuche von Maria und Josef vor der Geburt Jesu. Da die gläubigen Menschen nicht herzlos sein wollten, wie diejenigen, welche die Heilige Familie abgewiesen hatten, gaben sie reichlich. Die armen Leute bekamen oft Mehl, Eier, Brot oder Kletzen (gedörrte Birnen) für ihr Essen an den Festtagen. Die Sachen verstauten sie dann in einem mitgebrachten Sackerl. In manchen Dörfern fand dieser alte Brauch auch in Form des »Christkindlansingen« statt.

Die großen Bauern schlachteten zu den Festtagen ein Rind und ein Schwein und dann nochmals am Heiligdreikönigstag ein Schwein.
Nachdem in der Woche vor Weihnachten geschlachtet und gewurstet worden war, freuten sich die Bewohner der Bauernhöfe auf den Heiligen Abend. Zuerst gingen alle zur Christmette. Danach erst fand die Bescherung statt. Die Familie versammelte sich nach dem Gottesdienstbesuch in der Wohnstube um den leuchtenden, mit brennenden Kerzen bestückten Christbaum. Die Kinder freuten sich über ihre Geschenke und spielten unter dem Baum. Die Erwachsenen setzen sich um den Esstisch. In der Mitte stand eine Schüssel mit geschmalzener Brotsuppe aus altem Brot und der Brühe vom Schlachttag. Dazu gab es frisch gebackenes Brot und schlachtfrische Blut- und Leberwürste. Nach dieser deftigen »Nachtmahlzeit« begaben sich alle zur Ruhe. Die großen Kirchenfeste dienten sowohl zur Pflege des leiblichen als auch des seelischen Wohls.

Am ersten Weihnachtsfeiertag besuchten die Menschen des Wittelsbacher Landes die Messe. Im Anschluss ließen sie es sich schmecken und freuten sich in aller Stille über die Geburt Christi.

Im Gegensatz zu anderen Gegenden, wo Knechte und Mägde zusammen am Lichtmesstag »schlenkerten«, dass heißt den Dienstherrn wechselten, fand im Wittelsbacher Land das »Schlenkern« der Knechte am Stephanstag, dem 2. Weihnachtstag, statt. Die Knechte bewahrten ihr ganzes Hab und Gut in einem ungestrichenen Holzkasten auf. Diese Kiste wurde erst bei ihrer Heirat gestrichen. Die Knechte zogen mitsamt ihren Habseligkeiten im Kasten, nachdem sie den ausstehenden Lohn erhalten hatten, auf dem »Schrannawagn oder dem „Federwagerl“ (verschiedene Arten von offenen Pferdewagen) zu ihrem künftigen „Deaschplatz“ (Dienstplatz). Die beiden folgenden Tage nannte man, den „St. Johann“, den Tag von Johannes dem Evangelisten oder auch »Winter Johanni« und den »Unschuldige Kindltag« in Erinnerung an Herodes Kindermord in Bethlehem. Diese Tage nannte man auf dem Land: »Die abgeschafften Feiertage.«

Am »Unschuldige Kindltag«, dem 28. Dezember, gab es im Wittelsbacher Land den Brauch, dass Kinder von Haus zu Haus wanderten, klingelten, Sprüche aufsagten und den Erwachsenen mit einem Zweig auf den Hintern klopften. Das sollte Glück bringen und dafür erhielten sie zur Belohnung Süßigkeiten oder kleine Münzen. In manchen Dörfern, wie etwa in Sielenbach, wurde daraus eine ziemlich grobe Gaudi. Die männlichen Jugendlichen zogen mit einer Weidenrute bewaffnet durchs Dorf und machten Jagd auf junge Frauen und Mädchen. Denen schlugen sie dann heftig auf Gesäß und Waden. Als Lohn erwarteten die jungen Männer Schnaps und die Buben Gutzeln. Viele junge Frauen sind an diesem Tag dann doch lieber daheimgeblieben.

Die Zeit nach Weihnachten war die geruhsamste Zeit für das Gesinde. Hatte der Bauer ein Stück Wald, so hatte die Knechte dort zu tun. Die Mägde waren dann mit »Boschenhackn« (Gebüsch, Gehölz) beschäftigt. Dabei strengte sich niemand wirklich an, denn mit dieser Arbeit konnten sie sich Zeit lassen.

Am Dreikönigstag ging fast jede Bäuerin zur Kirche, um eine Schüssel Salz oder einen Brocken Steinsalz weihen zu lassen. Im Laufe des Jahres wurde dies Salz jeden Tag dem Trinkwasser für das Vieh zugemischt. Das geweihte Salz sollte die Tiere vor Krankheiten und Unglücksfällen bewahren.

Den Brauch des Sternsingens am Dreikönigstag gab es bereits im 11. Jahrhundert. In Bayern wurde es im Jahr 1784 verboten, weil das erbettelte Geld zu oft im Wirtshaus versoffen wurde und der fromme Brauch in ein unfrommes Spektakel ausartete. Erst seit 1958 findet dieser Brauch, unter Obhut der katholischen Kirche, wieder statt.

Am Lichtmesstag, dem 2. Februar, wechselten dann die Mägde in eine neue Anstellung.

Und wie sieht es heute um Weihnachten herum mit dem Brauchtum im Lande aus? Einige der Bräuche knüpfen an die Traditionen an, andere nicht. Es fängt eigentlich schon mit »Süßes oder Saures« und ausgehöhlten Kürbissen am 31. Oktober an. Dann geht es am Martinstag mit »Laterne, Laterne« und »Rabimmel, rabammel, rabumm« weiter. Nun folgen die verkaufsoffenen Sonntage und Black Friday. Dann laufen am 6. Dezember zahlreiche Nikoläuse und Krampusse durch die Straßen und in den Kaufhäusern lungern im Advent schon die Weihnachtsmänner herum. Jetzt läuft der weihnachtliche Einkaufsstress auf Hochtouren und es bleibt kaum Zeit für den Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt. Dann ist endlich Heiligabend, die Geschenke sind verpackt und ein Termin für den Kirchgang im Kalender vorgemerkt. Das Christkind, der Weihnachtsmann oder wer auch immer, legt die Gaben unter den mit LED-Lichtern und anderem Kram stylisch geschmückten Weihnachtsbaum, manche Bäume sind sogar aufblasbar. Nun folgen die Tage der Schlemmerei, obwohl jeder weiß, ab Januar müssen die Pfunde wieder runter. Pappsatt folgt dann am 27. Dezember für denjenigen die ruhige Phase, der die Geschenke nicht sofort wieder umtauschen will. Aber der Mensch muss sich ja erholen, denn an Silvester geht die Feierei weiter. So ist sie heute geworden, die staade Zeit.

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