Donnerstag, 23. Juni 2016

Der Königsmörder

Geschichten aus dem Wittelsbacher Land

Pfalzgraf Otto VIII. von Wittelsbach war wie sein Onkel, Otto der Herzog von Bayern, ein aufbrausender Kämpe, der keiner Auseinandersetzung aus dem Weg ging. Er stand im Dienste König Philipps von Schwaben dem Sohn Kaiser Barbarossas. Im Thronstreit mit dem Welfen Otto, dem Sohn Heinrichs des Löwen, befand er sich bedingungslos an der Seite des Staufers und zeichnete sich durch Einsatz und Tapferkeit aus. 1203 wurde die Verlobung mit Kunigunde der zweitältesten Tochter des Königs bekanntgegeben. Die Hochzeit mit ihr wurde ihm aber später von König Philipp verweigert. Stattdessen versprach er Kunigunde Wenzel, dem Sohn des böhmischen Königs.

Pfalzgraf Otto VIII von Wittelsbach


Als Ursache vermuten die Zeitgenossen verschiedenste Gründe: Die einen beschuldigten den Pfalzgrafen, er sei ein grausamer und jähzorniger Herr gewesen. Otto soll bei jedem Ausritt Stricke mit sich geführt haben, um Verbrecher, selbst bei Kleinigkeiten, an Ort und Stelle aufzuhängen. In der damaligen Zeit hätte dies, selbst wenn es so gewesen wäre, die anderen Fürsten kaum gestört.
Weitere sehen im nahe Verwandtschaftsverhältnis zwischen den Hohenstaufenern und den Wittelsbachern das Hindernis. Böse Zungen unterstellten Otto sogar an Lepra erkrankt zu sein. Einen Grund lieferte Philipp der Spruch des Fürstenrates, der Otto, wegen der Ermordung „vieler Edler“, bannte. Jedenfalls war Otto tief enttäuscht und trotzdem diente er dem König weiterhin treu in allen Kämpfen mit seinem welfischen Widersacher. Stattdessen beabsichtigte er, um Gertrud die Tochter Heinrichs des Königs der Polen, Herzogs von Schlesien und seiner Ehefrau, der Heiligen Hedwig von Schlesien anzuhalten. Der Wittelsbacher bat König Philipp seine Heiratspläne durch ein Empfehlungsschreiben an den polnischen König zu unterstützen. Otto ließ das Siegel des Sendschreibens brechen und ihn erwartete eine böse Überraschung. Statt seine Ehepläne zu unterstützen enthielt das Schreiben eine Warnung des polnischen Königs vor dem üblen Charakter des Wittelsbachers. Otto war außer sich vor Zorn und sann auf Rache. Es gibt also viele Erklärungen für das, was nun folgte.

Es geschah am 21. Juni des Jahres 1208. Der Staufer bereitete den endgültigen Schlag gegen seinen welfischen Widersacher vor und hatte sein Heer in Bamberg zum Kriegszug nach Norden zusammengerufen. Vorher jedoch sollte noch die Hochzeit von Philipps Nichte Beatrix von Burgund mit Herzog Otto von Andechs-Meranien stattfinden. Nach der Vermählung seiner Nichte im Bamberger Dom hatte sich der König im Palast des Bamberger Bischofs Ekbert, der alten Hofhaltung, zur Ruhe zurückgezogen. Von Freunden war Otto in seinem Racheplan bestärkt worden. Mit 16 Kämpfern, einem Freunde und mehreren Dienern drang Otto in den Palast ein und betrat mit gezogenem Schwerte das Zimmer Philipps. Die Chroniken berichten dann über die weiteren Ereignisse. Der König war ungehalten über die Störung: "Zum Schwertspiel ist kein Ort bei mir!" Otto entgegnete: "Aber wohl, um deine Treulosigkeit zu büßen; für dich, Philipp, ist es kein Spiel!" Mit diesen Worte soll er Philipp das Schwert in die Kehle gestoßen haben. Anwesend waren die Mitglieder des königlichen Rates, der Truchseß Heinrich von Waldburg, der schwer verletzt wurde und später starb und der Bischof Konrad von Speyer, der knapp entkam. Otto und seine Helfer entkamen. Der König war tot.


 Pfalzgraf Otto erschlägt den deutschen König Philipp von Schwaben

Beatrix, Gemahlin des König und Tochter des byzantinischen Kaisers überlebte hochschwanger ihren Gatten nur um zwei Monate und starb bei der Geburt des Kindes. Damit war auch der Thronstreit entschieden. Der alleinige König war nun der Welfe Otto von Braunschweig, der Sohn Heinrichs des Löwen. Auch der bayerische Herzog Ludwig der Kelheimer wechselte die Seiten. Der Reichstag erklärte den Königsmörder in die Reichsacht und vergab alle seine Güter an dessen Vetter, Ludwig den Kelheimer. Außerdem eignete sich der Wittelsbacher Herzog alle Güter der Andechs-Meranier an. Herzog Ludwig wurde außerdem die Erblichkeit des bayerischen Herzogtums bestätigt. Manche Historiker nehmen daher an, dass der Königsmord kein privater Zwist war, sondern das es sich um eine Verschwörung handelte.

Der gebannte Pfalzgraf Otto entzog sich den Nachstellungen. Auf einem Hofe von Mönchen fand er Zuflucht. Nicht lange, dann ereilte ihn das Schicksal. Von einem Verräter geführt spürte der Reichsmarschall Heinrich von Kalden den Versteckten in Oberndorf bei Kelheim auf und schlug ihm eigenhändig den Kopf ab. Das Haupt warf Heinrich in die Donau. Ottos Leiche wurde später in das Kloster Indersdorf überführt, wo auch Ottos Vater seine letzte Ruhestätte gefunden hatte.

Cui bono? - Wem nützt es?

Diese Frage muss man sich stellen, wenn man dem Verbrechen auf den Grund gehen möchte.

Zuerst einmal, wem nützte es nicht? In erster Linie Otto und Philipp, die beide ihr Leben verloren. Zum anderen verlor das alte bayrische Adelsgeschlecht der Andechs-Meranier allen Besitz und Einfluss im Reich an den Wittelsbacher Herzog.

Die Anzahl der Profiteure des Verbrechens übersteigt die der Leidtragenden um ein vielfaches. Zuerst der deutsche Gegenkönig Otto von Braunschweig, der kurz vor der endgültigen Niederlage stand und alle ihn unterstützenden Fürsten und Bischöfe. Außerdem der Wittelsbacher Bayernherzog Ludwig, der seine alleinige Herrschaft in Bayern durchsetzte.

Gibt es noch übergeordnete Entwicklungen, die mit diesem Attentat in Verbindung stehen könnten?
Die deutschen Fürsten, ob nun auf der Seite Philipps oder nicht, fürchteten die Bestrebungen der Staufer das erbliche Königtum, wie in Frankreich oder England, einzuführen. Außerdem sahen sie ihren Einfluss durch die immer größer werdende Macht der Ministerialen (kaiserliche Beamte) schwinden, die dem niedrigen Adel oder sogar der Schicht der Bürger entstammten. Beides empfanden die Fürsten und auch der hohe Klerus als Bedrohung ihrer Stellung. Die Ministerialen wechselten die Seiten noch bevor die Leiche des Stauferkönigs kalt war. Durch den Mord fiel die Entscheidung des Thronstreits zugunsten des Welfen, der kurz darauf vom Papst auch zum römischen Kaiser gekrönt wurde. Die Macht der Fürsten gegenüber der Zentralgewalt blieb über Jahrhunderte erhalten und endete mit dem ersten Weltkrieg. Ja, selbst die heutige föderale Struktur ließe sich mit diesem Mord in Verbindung bringen.

Und so ein weitreichendes Ereignis sollte nur durch verletzte Eitelkeit ausgelöst worden sein? Ein König vor einem wichtigen Feldzug schutzlos ohne Leibwache? Ein Mörder, der entkommen kann, obwohl ein Heer mit vielen tausend Soldaten um Bamberg herum versammelt ist? Geschichte wurde damals im Sinne der Herrschenden geschrieben und es war möglicherweise in deren Interesse die Zusammenhänge zu verschleiern. Es gibt also auch viele Gründe, die für einen Staatsstreich sprechen, mit dem Pfalzgrafen als nützlichem Werkzeug.

Acht Jahre lang lag der kopflose Leib des Mörders in einem mit Teer ausgestrichen Fass in den Gewölben des Klosters Indersdorf, bis endlich nach Auflösung des Bannes durch den Papst die Leiche bestattet werden durfte. Die Begründung des Papstes für die Aufhebung ist so abstrus, wie für politische Entscheidungen der damaligen Zeit typisch: "Wir sind sicher, dass der Königsmörder im letzten Moment, bevor der Kopf vom Rumpfe auf den Boden fiel, seine Tat bereut hat".
So konnte der Rumpf Ottos - nicht ohne Pomp - in geweihter Erde begraben werden. Trauergäste waren der bayerische Herzog Ludwig I. und viele weitere Edle der damaligen Zeit.

In Ausführung der Reichsacht über Otto zerstörte sein Onkel Ludwig der Kelheimer im Jahre1209 die Stätte seiner Vorfahren. Mit der Wittelsbacher Burg in Oberwittelsbach wurden auch die Burgen Glaneck, Bockhorn und Andechs dem Erdboden gleich gemacht. Die Zerstörung der Burg in Oberwittelsbach war vollständig. Die Steine benützte man, entsprechend einer Urkunde des Klosters Indersdorf, zum Bau der Aichacher Stadtmauer. Zur Sühne für die Bluttat seines Neffen errichtete Ludwig aus den restlichen Steinen eine Sühnekapelle auf dem leeren Burgplatz.

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