Sonntag, 19. Juni 2016

Die Schlacht auf dem Lechfeld

Geschichten aus dem Wittelsbacher Land


Wo und wie sich diese für die deutsche Geschichte so bedeutende Schlacht im Jahr 955 genau abgespielt hat, darüber streiten sich bis heute die Gelehrten. Vieles spricht heute dafür, dass auch das Wittelsbacher Land und das nördliche Lechfeld Schauplatz der Ereignisse waren, was zum Beispiel Funde bei Todtenweis und die Entstehung dessen Namens Totenwiese, aber auch die Überreste zahlreicher frühmittelalterlicher Befestigungsanlagen belegen.



In den Sommermonaten des Jahres 955 verheerte ein ungarisches Reiterheer, wie schon in manchen der sechzig Jahren zuvor, die bayrischen Lande südlich der Donau, bis hin zum Schwarzwald. Die Ungarn zogen die Donau hinauf und ihr Hauptheer unter dem Oberbefehlshaber Bulcsú
lagerte auf der östlichen Seite des Lechs beim Gunzenlee südlich-östlich von Augsburg.

Am 8. und 9. August 955 versuchten die Ungarn vergeblich die Stadt Augsburg zu erstürmen. Die Verteidigung der Stadt übernahm Bischof Ulrich, er stürzte sich selbst mit Schwert und Rüstung in den Kampf. Der Bischof wurde später heilig gesprochen. Der Heilige Ulrich ist seither neben der Heiligen Afra der Stadtheilige von Augsburg. In der Nacht vom 8. auf den 9. August ließ Bischof Ulrich Klosterfrauen in Prozessionen durch die Straßen ziehen, um die Mutter Gottes um Hilfe zu bitten. Am nächsten Tag erschienen die Ungarn dann mit schwerem Belagerungsgerät vor den Mauern. Von ihren Anführern mit Peitschen angetrieben, berannten sie erneut vergeblich die befestigte Stadt. Ihre bisherige Stärke waren die schnellen Vorstöße auf Pferden und nicht in der Belagerung von Festungen. Augsburg hielt stand, bis die deutschen Heere den Ort erreicht hatten.
Das königliche Heer führte König Otto I, selbst und Konrad der Rote. In aller Eile wurde auch ein bayerisches Heer gesammelt. Dazu kamen die Franken, befehligt von Herzog Konrad ein schwäbisches Heer, welches Herzog Burkhardt führte und zum Schluß noch 1000 Böhmen mit ihrem Herzog Boleslaw.

Am 10. August in der Frühe begann die mörderische Schlacht auf dem Lechfeld, die Legende erzählt die Ungarn wären in der sechsfachen Übermacht gewesen, 120000 Ungarn gegen 20000 Deutsche. Die Ungarn überschritten den Lech um das Heer aus den deutschen Stämmen anzugreifen. Es entspann sich auf der Ebene westlich des Lechs südlich der Stadt Augsburg ein wilder und blutiger Kampf, der den ganzen Tag lang andauerte. Aber trotz ihrer Übermacht konnten die Ungarn keinen Durchbruch erzielen. Schlachtentscheidend könnte ein Sommergewitter gewesen sein, sodass durch die heftigen Regenfälle die Wunderwaffe der Ungarn, der aus mehreren geleimten Lagen bestehende Kompositbogen, im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Leim gegangen wäre, wodurch das Reiterheer der Ungarn deutlich an Schlagkraft eingebüßt hätte. Zusätzlich kam die Kampfkraft der Panzerreiter im Heer Ottos. Nach einem verlustreichen Kampf konnten die Deutschen das Kriegsglück auf ihre Seite ziehen. Die Ungarn sahen sich zur Flucht zurück über den Lech gezwungen. Ottos Heer verfolgte den zurück weichenden Feind und eroberte das ungarische Hauptlager am Gunzenlee.

Am folgenden Tag wurden die Reste der ungarischen Streitkräfte verfolgt, aufgeriebenen und vollends vernichtet. Die Mehrzahl wurde niedergemetzelt, ein großer Teil ertrank im Lech und der letzte Rest wurde von den wütenden bayerischen Bauern, die alles durch sie verloren hatten, drei Stunden nördlich von Augsburg erschlagen. Der Ort, wo dies geschah, hieß später die Totenwiese, "woselbst heute das Pfarrdorf Todtenweis liegt."

Fast alle Ungarn verloren ihr Leben, aber auch auf deutscher Seite waren die Verluste groß. Zwei Heerführer waren unter den Toten. Konrad der Rote, Herzog von Lothringen wurde von einem Pfeil tödlich in den Hals getroffen, als er die Bänder des Panzers löste und Luft schöpfte. Dietpold, der Bruder des Hl. Ulrich kam ebenfalls ums Leben. Auf der Flucht wurden die ungarischen Anführer Bulcsú, Lehel und Sur gefangen genommen und zusammen mit anderen Adeligen nach Regensburg gebracht. Dort wurden sie gehängt.

Bei dieser Schlacht standen die Vorfahren der Wittelsbacher, die Grafen von Scheyern übrigens auf Seiten der Ungarn. Graf Berchtold von Scheyern meldete den Ungarn das Herannahen des königlichen Heeres. Bischof Otto von Freising (gest. 1158) schrieb später in seiner Chronik: "Der Anstifter dieser schweren Heimsuchung (des Ungarneinfalls) soll ein bayrischer Graf von Scheyern gewesen sein. Aber er musste seinen Treuebruch büßen: denn da er die Ungarn unbedacht herangeführt und dadurch der Vernichtung preisgegeben hatte, wurde er von ihnen als Verräter getötet.“

Für die Ungarn bewirkte der katastrophale Ausgang der Schlacht grundlegende gesellschaftliche Veränderung. Nachdem die Klasse der Reiterkrieger empfindlich an Macht eingebüßt hatte, vermischten sich die Magyaren mehr und mehr mit den ansässigen Slawen und wurden sesshaft. Sie räumten die Gebiete westlich des Plattensees und zogen sich ins heutige Westungarn zurück. Großfürst Geza leitete die Christianisierung ein und entmachtete den alten Kriegeradel. Sein Sohn Stephan der Heilige heiratete schließlich die baierische Prinzessin Gisela.

Für Otto bedeutete der Sieg auf dem Lechfeld die Festigung seiner Herrschaft. Der Sage nach führte König Otto die Heilige Lanze mit in die Schlacht, die ihm auch zum Sieg verhalf. Zugeschrieben wurde die Heilige Lanze zunächst dem Soldaten Longinus, der damit den Tod Jesu festgestellt haben soll. Seither gehört die Heilige Lanze, neben der Kaiserkrone, dem Reichsschwert, dem Reichsapfel und – zepter zu den Insignien der deutschen Könige und Kaiser des heiligen römischen Reiches.

Für das einfache Volk bedeutete die Schlacht auf dem Lechfeld das Ende einer unsicheren Zeit, die durch die ständigen Einfälle der Ungarn und Wikinger gekennzeichnet war.

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