Samstag, 12. November 2016

Das finstere Mittelalter?


Was bedeutete der Zeitenwende vom Mittelalter zur Neuzeit, mit der Erfindung des Buchdrucks, die Entdeckung Amerikas und die Reformation, für die Menschen des Wittelsbacher Landes?

Meine Romane spielen ja noch im ausklingenden Mittelalter, aber Veränderungen deuten sich bereits an. Die Menschen glaubten noch daran, die Erde wäre eine Scheibe in deren Zentrum sich Jerusalem befindet. Krankheiten, Kriege und Schicksalsschläge wurden als gottgegeben hingenommen. In diesen Verhältnissen mussten sich auch die Bewohner des Wittelsbacher Landes zurechtfinden. Der Ständestaat war Gottes Wille - mit dem Monarchen an der Spitze, unter ihm der Klerus und der Adel und die Basis auf die sich alles stützte der Bauernstand und die Handwerker und Bürger der Städte. Die Veränderungen kamen aus den großen Städten.

Verbrechen oder auch ein Infragestellen dieses Systems wurde für die Angehörigen des 3. Standes mit brutalsten Strafen geahndet. Natürlich war das System aus dem heutigen Blickwinkel betrachtet brutal und ungerecht, aber wie lebten die Menschen in dieser Zeit?

Es gab kriegerische Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Adligen oder auch Kirchenfürsten, die Not und Elend für das Volk brachten. Auf der anderen Seite gab es Gesetze und die Möglichkeit Streitigkeiten auf gerichtlichem Wege auszutragen. Friedensbrecher konnten durch einen Bann des Reiches oder der Kirche außerhalb der Gemeinschaft gestellt werden und verloren dadurch Macht und Einfluss.

Mein Protagonist der Badermeister Simon Schenk nahm am 19. September 1422 als junger Feldscher an der Schlacht bei Alling teil. Von den Siegern wurde diese Schlacht als großer Sieg mit zahllosen Gefallenen und Gefangenen dargestellt. Tatsache scheint jedoch zu sein, dass es sich eher um eine kleinere Auseinandersetzung handelte. Aber um die Heldentaten herauszustreichen wurde eben in allem maßlos übertrieben. Waffen wie der Langbogen und die Armbrust galten als unehrenhaft und nur der ritterliche Kampf als ehrenhaft. Ein weiterer Grund den Gegner am Leben zu lassen, lag in der Gepflogenheit für die Gefangenen Lösegeld zu erpressen. Die Gegner sprachen dieselbe Sprache und ein toter Bauer konnte seinen Acker nicht mehr bestellen, der ja dann eventuell dem Sieger zufiel. Auch die Raubritter hatten ein Interesse daran, dass die Pfeffersäcke mit ihren reichen Warenzügen regelmäßig vorbeikamen.


Das alles änderte sich mit dem Beginn der Neuzeit. Wobei dies ein langsamer Prozess war. Neue Techniken bestimmten Kriegsführung, die Erfindung des Schwarzpulvers und die Söldnerheere ernährten sich aus den Landschaften durch welche sie zogen. Die Religionskriege taten ihr übriges, es gab keinen gemeinsamen Glauben mehr, der die Menschen verband. Mit Beginn des Dreißigjährigen Krieges bis 1945 zahlten die Menschen des Wittelsbacher Landes in zahllosen Kriegen einen hohen Blutzoll, der in diesen 300 Jahren tausenden Bewohnern das Leben kostete. Dazu kamen riesige materielle Verluste durch Plünderungen, Brandschatzungen und Kontributionen an die jeweiligen Besatzungstruppen. Es gibt kaum ein europäisches Volk, dass in dieser Zeit nicht mit seinen Soldaten durchs Wittelsbacher Land gezogen wäre – Schweden, Engländer, Franzosen, Niederländer, Österreicher, ja sogar die Russen. Sie alle zogen ein Spur der Verwüstung und des Elends hinter sich her. Mit dem Elend das mit den Kriegen einherging, breiteten sich natürlich auch Krankheiten und Seuchen aus. Aichach war eine wohlhabende und bedeutende Stadt, die nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges nie mehr den Rang einnahm, den sie vorher besaß.

Die grausamen Hexenverfolgungen, die oft fälschlicherweise dem Mittelalter zugerechnet werden, fanden ihren Höhepunkt im 16. und 17. Jahrhundert und waren nicht typisch für katholische Gebiete, sondern in protestantischen Herrschaften ebenso verbreitet.

Seit nunmehr siebzig Jahren leben die Menschen des Wittelsbacher Landes in Sicherheit und relativem Wohlstand. Darüber sollte man glücklich sein, aber wenn man sich auf eine Zeitreise in unsere Vergangenheit begeben könnte, dann sollte man die vergangenen 600 Jahre doch besser überspringen.


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