Geschichten aus dem Wittelsbacher Land
Im Jahr 1736 in Kissing im Anwesen Nr. 164 als Sohn des Gemeindehirten geboren, war der Hiasl in seiner Jugend brav, tüchtig und seinen Eltern waren stolz auf ihn, vielleicht ein wenig leichtsinnig, wie es halt bei den jungen Leuten so ist. Mit 17 bekam er auf dem Jesuiten-Gut Mergentheim eine Anstellung als Jagdgehilfe. Bei der Arbeit zeichnete er sich als exzellenter Schütze aus und erledigte alle Aufgaben zur Zufriedenheit seiner Herrn. Sein Leben wäre vielleicht ganz anders verlaufen, wenn er nur einmal, seine vorlauten Mund gehalten hätte. Ja, wenn... In einer frechen Rede in der Faschingszeit machte er sich über einen der Jesuitenpatres lustig, der bei der Hasenjagd versehentlich eine Katze erschossen hatte. Der Pater, dem das zu Ohren kam fand das hingegen gar nicht lustig und sorgte dafür, dass der junge Hiasl seine Stelle im Klostergut verlor. Von da an musste er sich auf eigene Faust durchschlagen, und er tat das mit dem, was er gelernt hatte und gut konnte, nämlich mit dem Jagen.
Hiasl wurde ein erfolgreicher Wilderer in den Wäldern am Lech, im Grenzland zwischen Bayern und Schwaben. Dort zog er mit seiner Bande von Gleichgesinnten herum, die sich ihm angeschlossen hatten, schoss dem Adel und der hohen Geistlichkeit das Wild vor der Nase weg. und Einen Teil der Beute verschenkte er angeblich an die Armen. Zumindest genoss er diesen Ruf unter dem Landvolk.
Die Bauern mussten aufgrund der strengen Jagdgesetze tatenlos zuschauen, wie das Wild ihre Felder und Äcker verwüstete. Die Jagd oder auch das Fischen wurde mit schweren Strafen geahndet. Sie verehrten den Boarischen Hiasl bald als Kämpfer für Recht und Freiheit, auch weil er etwas gegen den überhandnehmenden Wildschaden unternahm. Die Menschen auf dem Land versteckten ihn vor der Obrigkeit. Manche schmückten sogar die Wände ihrer Häuser mit dem Kupferstich, auf dem der Wildschütz, den Stutzen in der Hand, den Betrachter verschmitzt anlächelt. Der Boarische Hiasl trieb sein Unwesen vor allem im Schwäbischen, da es dort nicht so riskant für ihn und seine Kumpane war. In die Gegend um Kissing, die er wie seine Westentasche kannte, zog er sich zurück, wenn ihm der Boden in Schwaben zu heiß wurde. Er genoss im Bayrischen sogar die Sympathie des Kurfürsten.
Irgendwann verließ ihn das Glück, denn die schwäbischen Grundherren taten sich zusammen und machten Jagd auf die Bande. Ihre Aktionen wurden immer waghalsiger und gewaltätiger. Die Hiasl-Bande beging Raubüberfälle und lieferte sich Schießereien mit den Jägern und Soldaten, die ihr auf der Spur waren. 1768, im siebten Jahr von Hiasls Wilderer-Karriere, gab es das erste Todesopfer. Mit zunehmender Gewalt wandte sich das Volk von seinem Helden ab. Eine Wirtstochter verriet der Obrigkeit, wo sich der Gesuchte versteckte. Daraufhin marschierten am 14. Januar des Jahres 1771 dreihundert Soldaten zum Wirtshaus von Osterzell, wo Klostermayr sich mit seinen Kumpanen verbarrikadiert hatte. Vier Stunden dauerte der mit aller Härte geführte Kampf, dann musste sich der Boarische Hiasl und seine Gefährten ergeben.
Nach einem mehrmonatigen Prozess in Dillingen wurde Matthias Klostermayr zum Tode verurteilt und dort am 6. September 1771 an der Donaubrücke hingerichtet. Angeblich wickelte man den Verurteilten nach der Verlesung der Urteils in eine frische Kuhhaut und schleifte ihn vom Rathaus zur Hinrichtungsstätte. Dort angekommen, soll er die Beichte abgelegt, noch ein Glas Wein getrunken haben und dann gefasst auf das Schafott gestiegen sein.
Zuerst wurde der Verurteilte mit einem Strick erdrosselt, dann der Körper auf einer „Radbrechmaschine“ zertrümmert. Schließlich schlug der Henker Klostermayrs Kopf ab und vierteilte den Körper. Den Kopf steckte man an den Dillinger Galgen, die Körperteile wurden in Dillingen an der Donau, Füssen, Oberstdorf und Schwabmünchen öffentlich ausgestellt.
Noch am gleichen Tag richtete man zwei Mitglieder der Bande durch das Schwert. Johann Adam Locherer, genannt „der Blaue“ aus Rain starb im Alter von 25 Jahren. Johann Georg Brandmaier, „der Rothe“ aus Steindorf, im Alter von 20 Jahren.
Andreas Mayr, der mitangeklagte jugendliche Diener und Gefährte („Der Bub“) des Hiasl, konnte aus dem Gefängnis fliehen und sich jenseits der Alpen in Sicherheit bringen.
Wenn ihr mehr wissen wollt, lohnt sich ein Besuch auf Gut Mergenthau bei Kissing. Dort befindet sich die „Hiasl-Erlebniswelt“, in der das Leben des Wildschützen und Räuberhauptmannes dargestellt wird. Neben verschiedenen ausgestellten Originalstücken wird das Leben Klostermayrs in einigen Dioramen und Schaubildern präsentiert.