In einem spannenden Beitrag von Klaus
Schönhoven - in dem Buch „Die Parteien KPD, SPD, BVP in Verfolgung
und Widerstand, Band 5“ von Martin Broszat und Hartmut Mehringer,
Oldenbourg Verlag, 1983 – beschreibt er, wie die katholische
Heimatzeitung „Aichacher Kurier – Bayrische Landpost“ von 1933
bis 1935 gleich- bzw. ausgeschaltet wurde.
Der politische Katholizismus in Bayern
unter der NS-Herrschaft 1933 – 1945
Der Anfang der zwanziger Jahre von
einem Privatverleger mit Unterstützung der Bayrischen Volkspartei
gegründete Aichacher Kurier besaß in dem agrarisch-kleinstädtisch
geprägten Amtsbezirk, dessen Bevölkerung zu 97,5 Prozent katholisch
war, bis 1933 eine fast monopolartige Stellung. Die Provinzzeitung
konnte sich auf einen heimatgebundenen und konfessionsbewußten
Leserkreis stützen, der fest in der politischen Tradition der BVP
stand. Zwischen 1919 und 1933 erzielte die Volkspartei bei allen
Wahlen im Bezirksamt Aichach die besten Stimmergebnisse in
Oberbayern, das ohnedies eine ihrer Domänen war. Sie beherrschte die
Gemeindeparlamente des Bezirks und besaß in den Dorfpfarrern und
Bauernbürgermeistern, die „die Identität von sozialer Führung
und wirtschaftlicher Potenz“ in dieser Region verkörperten, ihren
stärksten Rückhalt. Selbst bei den Reichstagswahlen vom März 1933
blieb dieses Gebiet eine Hochburg der BVP, die hier – trotz
empfindlicher Verluste von rund 15 Prozent – mit 54,3 Prozent der
Stimmen die NSDAP, die sich auf 38,1 Prozent verbessert hatte, immer
noch klar überflügelte.
Der Kampf des Nationalsozialismus gegen
diese Bastion des politischen Katholizismus richtete sich natürlich
auch gegen dessen publizistisches Forum, den Aichacher Kurier, der
nach dem Machtwechsel in München – wie alle anderen BVP-Blätter –
sich flexibel auf die neuen Verhältnisse einstellte und die „frühere
offene Gehässigkeit“ durch moderate Töne vergessen zu machen
suchte, dennoch aber das „begeisterte Eintreten“ für die NSDAP
vermissen ließ. Trotz aller Beweise der Selbstzensur waren Konflikte
mit den regionalen NS-Größen nicht zu vermeiden, deren eigenes
Organ, die Aichacher Zeitung, die Auflagenhöhe des katholischen
Blattes bei weitem nicht erreichte. Da man dem Kurier weder durch
öffentliche Boykottaufrufe noch durch massive Hauswerbeaktionen
seine Abonnenten abjagen konnte, verlagerten die NS-Instanzen ab 1934
ihren Vernichtungsfeldzug gegen die ungeliebte Konkurrenz auf die
systematische Behinderung der Berichterstattung.
Ende April 1934 musste der Kurier für
acht Tage sein Erscheinen einstellen, weil eine Artikelserie über
Kirchenfragen das Mißfallen der Behörden erregt hatte, die in
diesen Berichten den Beweis dafür sahen, daß sich die Zeitung
„innerlich noch nicht gleichgeschaltet“ habe und nach wie vor die
„größte Beunruhigung“ in die katholische Bevölkerung trage.
Gleichzeitig diktierte man dem verantwortlichen Redakteur des Blattes
eine einwöchige Schutzhaft zu.
„….Auf Grund der Verordnung vom
28.2.1933 und der hierzu erlassenen Bekanntmachung vom 4.3.1933 wurde
im Benehmen mit dem Sonderbeauftragten beim Bezirksamt der Bayrischen
Politischen Polizei unterm 27.4. verfügt, daß die Zeitung
„Aichacher Kurier – Bayrische Landpost“ auf die Dauer von acht Tagen verboten wird..... Außerdem wird der Schriftleiter dieser Zeitung, Josef Lakas, ebenfalls mit Verfügung vom 27. April in
Schutzhaft genommen, da ein weiter Kreis der Nationalsozialisten
gegen Lakas so eingestellt ist, daß nach Auffassung des
Sonderbeauftragten sowie des Ortsgruppenleiters dessen persönliche
Sicherheit gegenwärtig nicht mehr gewährleistet ist....“
Als der Verlag des Kuriers wegen dieser
Sperre den Bezugspreis des Blattes für den Monat Mai reduzierte und
die Leserschaft durch Flugzettel aufforderte, der Zeitung die Treue
zu halten, erließ der SA-Sonderkommissar für Aichach erneut ein
achttägiges Verbot, das allerdings von den Münchner Behörden
aufgehoben wurde.
Den nächsten Vorstoß gegen den Kurier
unternahm Erich Gärtner, der NS-Bürgermeister von Aichach, der Ende Oktober 1934
dem Redakteur des Blattes den Zutritt zu den Stadtratssitzungen
verweigerte, um damit das Heimatblatt von der lokalen
Berichterstattung auszuschließen. Auf die Anfrage des Bezirksamtes,
bei dem sich der Verleger des Kuriers wegen dieser
existenzbedrohenden Arbeitseinschränkung beschwert hatte,
rechtfertigte Gärtner den “in eigener Verantwortung“
vollzogenen Ausschluß mit folgendem Schreiben, das in Inhalt und
Diktion ein bemerkenswerter Beleg für die Rechtsauffassung lokaler
NS-Vertreter ist:
„Nachweisbar hat der Aichacher Kurier
selbst nach der Machtergreifung der Regierungsgewalt durch Adolf
Hitler ständig bis zur heutigen Stunde gegen die Belange des
Nationalsozialismus in Wort und Schrift offen und versteckt Stellung
genommen. Ich habe daher bei jeder Gelegenheit davon Gebrauch
gemacht, die verantwortlichen Leiter dieses Blattes auf ihre
politische Einstellung zu prüfen. Wenn die Schriftleitung des
Aichach. Kuriers es sich versagt, auf ihre verneinende Einstellung
zum heutigen Staat einzugehen, so wird sie wissen warum! Ich erkläre
hier offen, daß der Leiter dieser Zeitung bis hinunter zu seinen
Mitarbeitern, ja bis zur Köchin, in meinen Augen und den Augen jedes
anständigen Deutschen Volksverräter sind, und ich weigere mich,
einen Volksverräter bei den Beratungen zuzulassen.... Wozu hat man
denn in den Städten des Reiches alte bewußte Kämpfer der NSDAP mit
der Führung betraut? Doch um dem Willen und Empfinden des Volkes
Geltung zu verschaffen, den sittlichen Forderungen des Nat.
Socialismus gerecht zu werden, und nicht einer sturen Befolgung einer
parlamentarischen Gemeindeordnung zu dienen, sonst hätte man ruhig
die Vertreter der Reaktion in ihren Ämtern belassen können. Als
alter Nationalsozialist, als Gründungsmitglied der Bewegung aus dem
Jahre 1919/20, als „Sternecker“ bin ich erst Kämpfer für die
Weltanschauung Adolf Hitlers, in zweiter Linie Vollzieher der
Verwaltungsbestimmungen.“
Das Bezirksamt schloß sich dieser
rüden Argumentation des Regimevertreters nicht an und betonte in
seinem Antwortschreiben, mit dem es den rechtswidrigen Ausschluß des
Kuriers auss den Stadtratssitzungen aufhob, daß „auch der heutige
Staat Rechtsstaat“ sei und daß deshalb die Grundsätze einer
gesetzmäßigen Verwaltung angewendet werden müßten. Mit dieser
Entscheidung der noch an traditionellen Normen orientierten Behörden
war aber weder der Bürgermeister von Aichach noch der dortige
Kreisleiter der NSDAP einverstanden, der die verlegerische Tätigkeit
des Kuriers als „absolut verheerend“ charakterisierte und keinen
Zweifel daran aufkommen ließ, daß man die katholische Zeitung zur
Kapitulation zwingen wollte. Die logische Konsequenz aus dieser
Haltung war, daß die Kreisleitung ihre Werbeaktion für die eigene
Zeitung noch verstärkte und den Kurier bereits Ende April 1935 mit
einem neuen Verbotsantrag bedachte. In diesem Fall begnügte sich die
Bayerische Politische Polizei mit einer ernstlichen Verwarnung des
Chefredakteurs und der Drohung, „daß bei der geringsten
neuerlichen staatsabträglichen Schreibweise mit den schärfsten
polizeilichen Mitteln vorgegangen wird.“
Im Sommer 1935 erreichte der Kampf
gegen den Kurier schließlich seinen Höhepunkt und sein Ende.
Nachdem Vertretern der Zeitung im Juni und Juli mehrmals der Zutritt
zu regionalen Veranstaltungen von dort anwesenden Nationalsozialisten
verwehrt worden war, löste im August ein Artikel über einen
antisemitischen Vorfall – bei einer Zwangsversteigerung hatte ein
jüdischer Gläubiger seine Forderungen nicht geltend machen können
– den von der NSDAP gesteuerten „Unwillen“ der Bevölkerung
gegen die Zeitung aus. Eine Demonstration vor dem Verlagsgebäude gab
den willkommenen Anlaß, den Verleger und die beiden Redakteure des
Blattes „zu ihrem persönlichen Schutz in Haft zu nehmen“ und das
Erscheinen der Zeitung zu verbieten.
Nach drei Tagen entließ man die
Inhaftierten wieder, da keine „Gefahr für ihre persönliche
Sicherheit“ mehr bestand und weil die Verhandlungen zwischen dem
demoralisierten Verleger des Kuriers und der NS-Kreisleitung über
den Verkauf der Verlagsrechte „zu einem erfolgreichen Abschluß
gelangt waren“: Der Verleger hatte während der Haftzeit in die
Liquidation des Aichacher Kuriers eingewilligt; die Zeitung stellte
am 31. August 1935 ihr Erscheinen ein.
In der Festschrift „150 Jahre Mayer &
Söhne – Aichacher Zeitung“ werden diese Ereignisse allerdings anders
dargestellt, man sei dazu gezwungen worden einen überzeigten Nationalsozialisten und Mitglied der SS als Chefredakteur einzustellen.