Unheimliche Geschichten aus dem Wittelsbacher Land
Hexen und Bockreiter
„In unserer Gegend leben mehrere
Leute, welche als Hexenmeister weit und breit bekannt sind und sich
durch dieses Geschäft ihren Lebensunterhalt erwerben, die Dummheit
der Leute sehr zu ihrem Vorteil ausnützend. Meist ist die Anwendung
der Mittel die gleiche, immer geht es darauf hinaus, daß die Hexe
verwundet oder gar getötet wird.
Nachstehendes Geschichtlein, daß vor
einigen Jahren in unserem Dorfe (Sielenbach) vorgekommen ist, möge
das ein wenig erklären. Bei einer kleineren Bäuerin gaben die Kühe
die Milch nicht mehr, die sie eigentlich geben sollten. Sie ließ den
Stall ausweihen. Da dies versagte ging sie zum Hexenmeister nach
O......., der ihr folgendes Rezept gab: Jedesmal, wenn sie die Kühe
melkt, darf sie die Milch nicht in den Eimer, sondern muß sie auf
den Boden melken, und dort mit einem langen Messer kreuzweise
zerschneiden und hineinstechen. Doch die Milch wurde nicht mehr, was
ja auch leicht erklärlich ist. Und so kam nun eines Tages der Herr
Hexenmeister selbst in den Hof. In der Nacht verbrannte er im Garten
die Hexe: Er schürte ein Feuer, machte allerhand Hokus-pokus dazu,
hieb und stach in das Feuer, um die Hexe ja gewiß zu vertreiben. Zu
einem ziemlichen Schaden – sie mußte 20 Mark dem „Hexerer“
bezahlen, dieser hatte Brennmaterial im Wert von 10 Mark verbrannt,
und mußte noch einen Prozeß bezahlen – hat sie nun auch den
Spott; denn die Milch ist nicht mehr geworden und wird auch nicht
mehr, solange die Tiere keine bessere Wart und Pflege erhalten.
Ähnlich wie die Hexe treibt auch der
„Bockreiter“ - wahrscheinlich auch ein Überrest des heidnischen
Glaubens vom „Bilmesschneider“ - sein Unwesen. Der Bauer, welcher
das erste Fuder Getreide verkehrt in die Scheune fährt, ist ein
solcher. In einer Nacht während der Getreideblüte reitet derselbe
auf einem Ziegenbock, an jedem Fuß eine Sichel gebunden, durch das
Getreidefeld und macht einen „Durchschnitt“, den man, wie
behauptet wird, sehen kann: in einer Breite von einem halben Meter
sind die Ähren abgeschnitten. Das ganze Getreide von einem solchen
Acker fährt dann der „Bockreiter“ in seinen Stadel, das Stroh
läßt er großmütig noch zurück. Liefern die Felder und Wiesen
eines Bauern wenig Ertrag, gedeihen Pferde und Kühe nicht recht, der
„Bockreiter“ ist an allem schuld. Es wird aber bloß ein solcher
als ein Bockreiter gebrandmarkt, der das schönste Getreide auf den
Feldern und das prächtigste Vieh im Stalle hat, der Geld genug hat,
um alle modernen landwirtschaftlichen Hilfsmittel in Anwendung zu
bringen. Dem Bockreiterwesen abzuhelfen gibt es auch wieder Leute,
welche wie beim Hexenwahn verschiedene Mittel anwenden. In unserem
Dorfe (Sielenbach) von Schäfer O. In Schwaben berühmt, dem schon
viele Erfolge zu verdanken seien.
Die Geprellten
sind natürlich immer die dummen Leute; denn die Mittel zur Abhilfe
werden nur gegen entsprechende Summen angegeben und Abhilfe bringen
sie in keinem Falle, da ja das dem Bockreiter Zugeschriebene immer
auf natürlichen, ganz leicht einleuchtenden Ursachen beruht.“
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen