Samstag, 14. Mai 2016

Hexen und Bockreiter

Unheimliche Geschichten aus dem Wittelsbacher Land


Hexen und Bockreiter


„In unserer Gegend leben mehrere Leute, welche als Hexenmeister weit und breit bekannt sind und sich durch dieses Geschäft ihren Lebensunterhalt erwerben, die Dummheit der Leute sehr zu ihrem Vorteil ausnützend. Meist ist die Anwendung der Mittel die gleiche, immer geht es darauf hinaus, daß die Hexe verwundet oder gar getötet wird.

Nachstehendes Geschichtlein, daß vor einigen Jahren in unserem Dorfe (Sielenbach) vorgekommen ist, möge das ein wenig erklären. Bei einer kleineren Bäuerin gaben die Kühe die Milch nicht mehr, die sie eigentlich geben sollten. Sie ließ den Stall ausweihen. Da dies versagte ging sie zum Hexenmeister nach O......., der ihr folgendes Rezept gab: Jedesmal, wenn sie die Kühe melkt, darf sie die Milch nicht in den Eimer, sondern muß sie auf den Boden melken, und dort mit einem langen Messer kreuzweise zerschneiden und hineinstechen. Doch die Milch wurde nicht mehr, was ja auch leicht erklärlich ist. Und so kam nun eines Tages der Herr Hexenmeister selbst in den Hof. In der Nacht verbrannte er im Garten die Hexe: Er schürte ein Feuer, machte allerhand Hokus-pokus dazu, hieb und stach in das Feuer, um die Hexe ja gewiß zu vertreiben. Zu einem ziemlichen Schaden – sie mußte 20 Mark dem „Hexerer“ bezahlen, dieser hatte Brennmaterial im Wert von 10 Mark verbrannt, und mußte noch einen Prozeß bezahlen – hat sie nun auch den Spott; denn die Milch ist nicht mehr geworden und wird auch nicht mehr, solange die Tiere keine bessere Wart und Pflege erhalten.

Ähnlich wie die Hexe treibt auch der „Bockreiter“ - wahrscheinlich auch ein Überrest des heidnischen Glaubens vom „Bilmesschneider“ - sein Unwesen. Der Bauer, welcher das erste Fuder Getreide verkehrt in die Scheune fährt, ist ein solcher. In einer Nacht während der Getreideblüte reitet derselbe auf einem Ziegenbock, an jedem Fuß eine Sichel gebunden, durch das Getreidefeld und macht einen „Durchschnitt“, den man, wie behauptet wird, sehen kann: in einer Breite von einem halben Meter sind die Ähren abgeschnitten. Das ganze Getreide von einem solchen Acker fährt dann der „Bockreiter“ in seinen Stadel, das Stroh läßt er großmütig noch zurück. Liefern die Felder und Wiesen eines Bauern wenig Ertrag, gedeihen Pferde und Kühe nicht recht, der „Bockreiter“ ist an allem schuld. Es wird aber bloß ein solcher als ein Bockreiter gebrandmarkt, der das schönste Getreide auf den Feldern und das prächtigste Vieh im Stalle hat, der Geld genug hat, um alle modernen landwirtschaftlichen Hilfsmittel in Anwendung zu bringen. Dem Bockreiterwesen abzuhelfen gibt es auch wieder Leute, welche wie beim Hexenwahn verschiedene Mittel anwenden. In unserem Dorfe (Sielenbach) von Schäfer O. In Schwaben berühmt, dem schon viele Erfolge zu verdanken seien.

Die Geprellten sind natürlich immer die dummen Leute; denn die Mittel zur Abhilfe werden nur gegen entsprechende Summen angegeben und Abhilfe bringen sie in keinem Falle, da ja das dem Bockreiter Zugeschriebene immer auf natürlichen, ganz leicht einleuchtenden Ursachen beruht.“

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