Sonntag, 23. Oktober 2016

Das BIFF

Geschichten aus dem Wittelsbacher Land 

Es gibt Geschichten, die kann man nur erzählen, wenn man dabei gewesen ist. Die Vergangenheit des Aichacher Benefiziatenhauses, des Benfiziums, des Benefiz oder des BIFFs Ende der 60iger, Anfang der 70iger ist kaum noch jemand bekannt, wobei ich bei dem was folgt nur eine Randfigur war.

Was konnte man als Jugendlicher in Aichach in dieser Zeit machen? Tanzen gehen? Vielleicht am Samstag? Dazu musste man auf die Dörfer und da wir selten die Möglichkeit hatten von jemand mitgenommen zu werden, blieb nur Oberwittelsbach, wohin man laufen konnte. Seid ihr schon mal nachts ohne Straßenbeleuchtung am Kellerberg vorbei, dann durch den Wald, nach Oberwittelsbach und zurück gelaufen? Das war also auch nicht der Renner. In Aichach konnte man dann noch zur Feuerwehr, zu den Pfadfindern vom Christian Knauer im Oberen Tor, zur KJG (Katholische Jungmännergemeinschaft) im Weinmillerhaus in der Werlbergerstraße oder zur KFG (Katholische Frauenjugendgemeinschaft) im Benefiziatenhaus am Schloßplatz gehen.


Im ersten Stock des Gebäudes auf dem Foto haben wir uns damals fast jeden Tag getroffen.

Nun werdet ihr denken im Benefiziatenhaus wären die züchtigen katholischen Mädchen zu Hause. Das war auch anfangs so, aber dann änderte es sich. Rund um das Benefiz sammelten sich alle Jungs und Mädels der Stadt, die irgendwie fanden „Unter den Talaren...“ naja soweit ging das erst mal nicht, die Eltern nervten, man durfte nicht die Musik hören, die man wollte und überhaupt....

Zuerst flog das Mobiliar raus und es kamen Matratzen auf den Boden, eine vernünftige Stereoanlage mit Plattenspieler und Tonband musste her. Nun verbrachten wir fast jeden Abend dort, Musik hören, diskutieren und einfach rumgammeln oder „abhängen“, wie man heute sagen würde. Die Eltern waren alarmiert! Das geht doch nicht, was machen die da? Sodom und Gomorrha! Gammler und lange Haare! Sex und Drogen und es alles unter Aufsicht vom Herrn Pfarrer! Auch das Pfarramt war alarmiert, da sich dort aber vor allem die Söhne und Töchter der gut beleumdeten Bürger herumtrieben, ließ man uns erst einmal gewähren.

Ja und im BIFF? Es waren die 68iger, es wurde über Vietnam diskutiert, der Film Easy Rider war angesagt und dann einfach wieder Musik gehört - In-A-Gadda-Da-Vida von Iron Butterfly oder Locomotive Breath von Jethro Tull. Irgendwann tauchte Gallus auf, manche nannten ihn auch “da Breiß”. Wie er wirklich hieß, wusste keiner! Er wohnte im Galluskeller und kam aus Hannover. Er lief immer in einer alten, olivgrünen US-Armyjacke herum, Jahre vor Schimansky. Gallus arbeitete bei der Bahn, bis er mit dem Boggal durch die geschlossene Tür in den Lokschuppen fuhr. Nachdem herauskam, dass er während dieser Fahrt konspirative Literatur (Asterix) las, statt zu schaun wo es hinging, haben sie ihn rausgeschmissen. Gallus wurde für uns zum Kontakt zur großen weiten Welt, er wusste was draußen vor sich ging, sozusagen der Chefideologe. Die APO in Berlin, Demonstrationen gegen Springer! Ja, das war was! Uni gabs bei uns keine und wenn wir den Lehrern in der Realschule, was vom Muff unter den Talaren erzählt hätten, häts auch einen Mords Ärger gegeben. Und, gegen die Aichacher Zeitung zu demonstrieren erschien uns nicht wirklich sinnvoll. So haben wir Unterschriften gesammelt :”Freiheit für Angela Davis!” Warum sich die Erwachsenen darüber so aufgeregt haben, hat von uns auch keiner wirklich verstanden. Meine Mutter hat das schöne Plakat, das ich mir an die Wand geklebt habe, heruntergerissen. So verging die Zeit!

Eine nette Geschichte ist mir noch in Erinnerung geblieben. Irgendwann wurde der löbliche Beschluß gefasst, aufzuräumen und sauberzumachen. Der Dreck türmte sich und es wurde ungemütlich. Alle fassten mit an und in kurzer Zeit war es wieder nett und gemütlich. Der Dreck füllte mehrere große Waschmitteltonnen und wurde neben dem Eingang deponiert. Am nächsten Tag wollten wir beraten, was mit dem Müll geschehen sollte. Aber, was für ein Wunder am nächsten Tag waren die Tonnen verschwunden.
Woas wer wo da Dreg bliem is?”
Ja, scho! Heid Vormiddog woar Bolizei do. Erst hams umananda gschaut und nachad hams unsan Dreg mitgnomma!”
Der Herr Pfarrer, als Hausherr, und die Polizei hatten wohl Bedenken hinsichtlich illegaler Beteubungsmittel - Langhaarige haschen – und hatten eine Durchsuchung veranlasst. Was war besser als Versteck geeignet als Müll. Also, wir waren eine Sorge los und die Polizei hat auch nichts zurück gebracht.

Und wie ging das Ganze zu Ende? Genau weiß ich das auch nicht mehr. Es begann damit, das der Gallus von heute auf morgen verschwunden war. Man traf sich immer mehr privat. Die Erkenntnis, in Aichach würde die Weltrevolution nicht ausbrechen, dass hätten die Eltern und der Herr Pfarrer auch gar nicht erlaubt.  Es gab andere Sorgen, Ausbildung Studium, Freundin oder Freund, Zivildienst oder Bundeswehr. So still und heimlich, wie die Sache begann, endete sie auch und irgendwann hat das Pfarramt den ganzen Laden dichtgemacht.

Es war eine wunderbare Zeit und ist sicher auch eine kleine, erwähnenswerte Episode in der Stadtgeschichte, die nicht ganz vergessen werden sollte. Die Beteiligten gehen heute alle auf die Siebzig zu und einige weilen schon lange nicht mehr unter uns, wie der Gaudenz Müller-Paradeis oder der Steuerl Franz.


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