Montag, 5. September 2016

Die Geißler in Aichach

Geschichten aus dem Wittelsbacher Land


In einem Dokument von 1753 im Aichacher Pfarrarchiv wird vom Auftreten von Geißlern in der Stadt berichtet.

Es muss ein gespenstischer Anblick gewesen sein, als die Geißler, Männer und Frauen, in weiße, linnene Kutten gehüllt, das Gesicht mit einer Tuchmaske verborgen durch die Stadt zogen. Die Büßer hatten den Rücken entblößt und schlugen sich mit Ruten und Peitschen, so das das Blut in Strömen floss. Aus Rechnungen der Stadt Aichach geht hervor, dass die Geißler ihre Exerzitien im alten Schulhaus gegenüber des späteren Cafe Kögls (heute Cafe Pino) durchführten und das die Räume im Schulhaus am nächsten Tag, wegen der vielen Blutspritzer neu gekalkt werden mussten. Für die Versorgung der Wunden, aber auch das Ausbessern der Geißeln war ein Bader zuständig.


Wer von den Bürgern sich an diesen Selbstgeißelungen beteiligt hatte, ist heute nicht mehr nachzuvollziehen. Es ist anzunehmen, dass die Mönche des Deutschen Ordens in Blumenthal sich unter den Geißlern befanden, da die Ordensregeln vorschrieben, dass die Brüder sich an bestimmten Wochentagen geißeln mussten. Weiterhin kann man vermuten, dass die Brüder der Corpus Christi- und Sebastiansbrüderschaften ebenfalls diesen mittelalterlichen Büßergeist zur Schau trugen. Die Büßer und Kreuzzieher waren ebenfalls in mit Augenschlitzen versehenen Kutten gehüllt, ähnlich wie die sogenannten Gugelmänner, die noch beim Leichenzug König Ludwig II vermummt mit brennenden Kerzen neben dem Sarg einherschritten. Die Kreuzzieher schleppten oft zentnerschwere Holzkreuze auf ihren Schultern durch die Straßen, murmelten Gebete und monotone Gesänge. Wenn man sich das Ganze nachts vorstellt, beleuchtet durch Fackeln und Pechpfannen, durch Rauch geschwängerte Luft, so wäre dies auch für den heutigen Zeitgenossen ein gespenstischer, grauenvoller Anblick.

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