Sonntag, 21. August 2016

Die Eselsburg

Geschichten aus dem Wittelsbacher Land


In der Nähe von Thierhaupten findet der Wanderer auf einem waldigen Hügel am Rande des breiten Tals des Lechs Spuren der Eselsburg. Die Bewohner der Gegend nannten sie so, weil angeblich ein Esel das Wasser in hölzernem Trögen in die Burg tragen musste.

In grauer Vorzeit hauste dort der Sage nach der Ritter Greimold, ein Schrecken der schwäbischen Nachbarn auf der anderen Seite des Lechs und der Augsburger Kaufleute, die keinen Geleitbrief von ihm eingelöst hatten.

Nun fand der Ritter, es sei für ihn an der Zeit zu heiraten. Nur gab es keinen Herrn auf allen Burgen und Schlössern der Gegend, auf denen Töchter im heiratsfähigen Alter lebten, der bereit gewesen wäre dem Unhold sein Liebstes anzuvertrauen. Im ganzen Land links und rechts des Lechs hatte sich die Schönheit Jukundens, der holden Tochter Seyfrieds, des Truchseß von Killental (Kühlenthal bei Westendorf) herumgesprochen. Als der Ritter beim Truchseß um Jukundens Hand anhielt, erhielt er, wie bei allen anderen vorher, auch hier einen Korb. Zornentbrannt sann er auf Rache. Es gelang es ihm, den treulosen Burgvogt zu bestechen. Der Vogt öffnete in finsterster Nacht eine Seitenpforte der Burg und Greimolds Mannen drangen in die Burg ein und entführten Jukunde auf flinken Rossen auf die Eselsburg. Als sich Jukunde sträubte, sich auf das Ansinnen des wilden Ritters einzugehen, mit ihm die Ehe einzugehen, lies er sie in sein finsterstes Burgverlies sperren.

Jetzt war das Maß voll. Der Himmel war nicht mehr bereit dem wilden Treiben des Frevlers zuzusehen. Er verdunkelte sich und fürchterliche Blitze fuhren hernieder und mächtige Donnerschläge ließen den Erdboden erzittern. Ein flammender Strahl, wie ein Feuerschwert, entzündete die Burg und begrub den Bösewicht unter den Trümmern seines eigenen Daches. Ein Engel, so erzählten es sich die Leute noch viele hundert Jahre später, beschützte und befreite die unschuldige Jukunde. Unversehrt kehrte das glückliche Mädchen auf die väterliche Burg und zu ihren überglücklichen Eltern zurück.

Noch kann man Mauerreste finden, die vom steilen Hügel über die Tannenwipfel ins breite Lechtal hinabsehen; noch sind die Schätze nicht gehoben, die in der Burg vergraben worden waren. Nur mit Grauen nähert sich der Landmann der unheimlichen Stätte und bekreuzt sich vor dem bösen Geiste des Ritters, der in den Trümmern der alten Burg umgehen soll. Auf der alten „Burgstelle“ in Kühlenthal, jenseits des Lechs hört man oft zur Mitternacht das heisere Gebell und Jaulen eines Hundes – das Verräterschicksal eines untreuen Burgvogts!

Anmerkung:

Ab der Mitte des 8. Jahrhunderts bildet der Lech die Grenze zwischen den Stämmen der Alemannen und der Bajuwaren. Die zahlreichen frühmittelalterlichen Wehranlagen, wie auch die Eselsburg, an beiden Seiten des Lechtales könnten also schon im 8. Jahrhundert als Grenzbefestigungen entstanden sein. Sie dienten auch als Schutzburgen in die sich die Bevölkerung in den Zeiten der Ungarneinfälle zurückzogen.



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