Mittwoch, 15. Juni 2016

Der Pudel von St. Jodok

Unheimliche Geschichten aus dem Wittelsbacher Land


Die Mesner der kleinen St. Jodokkapelle nahe Haunswies lebten in einem kleinen Haus neben der Kapelle. Noch im Jahr 1883 wird von einem Ehepaar berichtet, welches dort gewohnt und den Mesnerdienst verrichtet hat.

Am Ende der Fastenzeit des Jahres 1870 erschütterte ein Verbrechen das Wittelsbacher Land: Ein ruchloser Mörder hatte das Mesnerehepaar von St. Jodok, den 62jährigen Schneidermeister und Waldaufseher Konrad Bäumel und seine 60jährige Frau Anna brutal mit dem Beil erschlagen. Die blutige Tat wurde nie gesühnt und der ruchlose Verbrecher konnte seiner irdischen Strafe entgehen. Die Menschen vermuteten, dass es sich um einen Racheakt gehandelt haben könnte, da der Mesner zugleich auch Waldaufseher war. Vielleicht hat er seinen späteren Mörder des Wildern verdächtigt oder bei anderen Betrügereien erwischt.

Noch Jahre nach diesem schrecklichen Verbrechen, an dem Mesnerehepaar Bäumel am Karfreitag des Jahres 1870 in St. Jodok, erzählten sich die Bewohner der umliegenden Dörfer, dass es in der Gegend um die Kapelle „umgehe“. Die alten Leute besaßen einen Pudel, dieser solle seit diesen Tagen herrenlos durch die umliegenden Wäldern streifen. Der eine oder andere will ihn noch zu einer Zeit gesehen oder gehört haben, in der das Tier nach menschlichem Ermessen längst gestorben sein musste. Im Volke hieß es, der "Joaspudel" gehe um.

Viele Geschichten ranken sich um den Pudel:

Musikanten aus Griesbeckerzell ist vor vielen Jahren, als sie müde, von einem Vergnügen zu dem sie zum Tanz aufspielten, nach Hause zogen, der Pudel begegnet. Er saß am Waldrand, ihr Weg von Unterschneitbach das Sträßlein nach St. Jodok kreuzt. Obwohl vor Angst wie gelähmt tat er ihnen nichts, aber er wuchs und wuchs, bis er schließlich größer war als die erschreckten Griebeckerzeller.

Ganz anders ging so eine Begegnung für einen Igenhausener Bauern aus, dem der Joaspudel an einer Kreuzung bei St. Jodok begegnete. Der Bauer stand im Ruf den Mund gerne voll zu nehmen. Eines Abends war es mal wieder soweit. In der Wirtschaft saßen er und ein paar andere Dörfler zusammen und leerten einen Krug um den andern. Der Kienspan, der neben dem Ofen qualmte und für ein wenig gelbliches Licht sorgte, musste bereits einige Male erneuert werden. Die Augen der Burschen glänzten wie die Taler am Spenzer. Sie hatten auch ein interessantes Gesprächsthema: Den Joaspudel - bei der alten Pilgerkapelle des Hl. Jodok sei er vor kurzem erst wieder gesehen worden. Man könne seine Spur von dort bis zur Salzkapelle bei Latzenhausen verfolgen. Dort seien erst vor wenigen Tagen die Ochsen eines Fuhrwerks durch ihn scheu geworden. Der Hund taucht immer wieder überall in der ganzen Umgebung auf, In Gallenbach heißt man ihn den Santiaspudel. Auch dort hat er bereits die Leuten erschreckt. In Laimering seien Pferde scheu geworden, und bei Aindling sei er bellend in den Wald gerannt, so dass die Bäume krachten und die Funken stoben. Ein Oberschneitbacher, der vor einigen Tagen mit seinem Langholzfuhrwerk nach Augsburg fuhr, habe ihn ebenfalls gesehen.
"Das ist doch nur ein Witz! An so einen Schmarrn glaub ich nicht! Das ist das Geschwätz von alten Weibern, sonst nichts!" gröhlte der Maulheld.
"Sag das nicht, Jockl!" erwiderte einer seiner Kumpane. "Ich hab ihn selber schon in der Nähe der Kapelle bei St. Jodok gesehen. Mir hat er sich in den Weg gestellt, und ihr wisst alle, dass ich mich vor nichts und niemand fürchte"
"Ja, das stimmt!" pflichteten ihm die anderen bei.
Nur der Jockl, der große Maulheld, frotzelte und spottete: "Ja, ja, vor nix hast du Angst, aber diesen räudigen Köter traust du dich nicht zu verscheuchen, hast die Hosen voll! Ich sag dir, du bist ein Schlappschwanz! Wart nur, wenn mir das Vieh über den Weg läuft. Mit den bloßen Händen würde ich es in der Luft zerreißen!" Er konnte mit seinen Sprüchen kein Ende finden.
Um es kurz zu machen: Eines Tages fand man ihn tot in seinem Blut bei St. Jodok auf der Straße liegen. Sein Geldbeutel war noch voller Taler und sein Messer steckte in der Scheide. Kein Straßenräuber hatte ihn überfallen, aber die Kehle war durchgebissen. Der Joaspudel hatte die Schmach gerächt.

Fast an der selben Stelle begegnete einem Igenhausener Bauern, der kurz nach Sonnenaufgang aufbrach, um nach Augsburg zu, ein Pudel mit feurigen Augen. Eine Weile umkreiste er Pferd und Wagen, des vor Angst zitternden Igenhauseners. Auf einmal sprang das Tier mit einem Riesensatz hinten auf den Wagen. Seine Augen sollen so groß wie Wagenräder gewesen sein. Der Joaspudel rollte mit seinen riesigen funkensprühenden, dunkelroten Augäpfeln. Der Bauer schlug verzweifelt mit der Peitsche nach dem Ungeheuer und traf ihn sogar, so erzählte er es jedenfalls hinterher. Nur kurz, offensichtlich erschreckt, verließ der Hund den Wagen, sprang aber gleich wieder hinauf. Die Pferde schwitzten und zitterten. Einmal zogen sie wütend an, dann weigerten sie sich wieder auch nur einen Schritt weiter zu gehen. In der Nähe der Jodokskapelle war der Pudel plötzlich, wie durch ein Wunder, verschwunden und der Bauer und sein Fuhrwerk konnten weiter ihres Weges ziehen.

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